Global Markets Extra-Ausgabe

VIETNAM: Frau Tam, Hanoi

Bild: LEG Thüringen

Interview mit Dr. Nguyen Thi Than Tam, Auslandsbeauftragte von Thüringen International in Vietnam

Frau Dr. Tam, bitte stellen Sie sich und Ihren Service, den Sie Thüringer Unternehmen anbieten, kurz vor.

„Nach meinem Studium in Leipzig und 13 Jahren Aufenthalt in Deutschland zog es mich in meine Heimat Vietnam zurück. Dort gründete ich 2004 meine eigene Firma, Hanoi IEC, die inzwischen über 50 Mitarbeiter hat und Investitionsberatung und Handelsförderung für deutsche Unternehmen in Vietnam anbietet. Seit 2007 arbeite ich eng mit der LEG Thüringen zusammen und schaffe damit eine Anlauf- und Beratungsstelle für Thüringer Firmen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-City.

Wir bieten Thüringer Unternehmen diverse Dienstleistungen an. Hierzu gehören zum Beispiel die Bereitstellung von Marktinformationen und die Durchführung von Trendanalysen. Aber auch Dienstleistungen, die im Vorfeld eines Markteintritts getätigt werden müssen, wie die Partneridentifizierung, die Anbahnung von B2B-Gesprächen und die Assistenz bei der Planung von Geschäftsreisen nach Vietnam, gehören in mein Service-Portfolio. Des Weiteren assistiere ich bei Veranstaltungen in Vietnam, begleite Projekte und biete Dolmetscherdienste an.“

Ist Ihr Angebot mit Kosten für die Thüringer Unternehmen verbunden?

„Thüringer Unternehmen können eine Reihe an Dienstleistungen frei nutzen, dazu zählen u.a. die erste Beratung, die Bereitstellung von ersten Marktinformationen (kurze Marktberichte bis zu fünf Seiten) und Informationen zu geeigneten Fachmessen sowie die Kontaktherstellung zu vietnamesischen Firmen und Institutionen. Darüber hinaus begleiten wir Thüringer Unternehmen bis zu drei Tage kostenfrei vor Ort, wenn diese individuell nach Vietnam kommen. Weiterführende Dienstleistungen sind auch für Thüringer Unternehmen mit Kosten verbunden. Dabei sind die Kosten für viele Leistungen auch erfolgsabhängig.“

Vietnam hat 2009 die Grenze von 1000 USD Jahreseinkommen pro Kopf überschritten und ist seitdem ein „Middle Income Country“. Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Vietnam ein?

„Die wirtschaftlichen Aussichten für Vietnam stehen sehr gut. Im letzten Jahr betrug das BIP 2300-2400 USD und das Wirtschaftswachstum 6,2 Prozent. Auch zukünftig gibt es beste Voraussetzungen für Vietnam, weiter zu wachsen. Schon seit einigen Jahren gibt es einen starken Zustrom an ausländischen Direktinvestitionen, und die Reformen zur Liberalisierung der Wirtschaft machen den Standort für ausländische Unternehmen noch interessanter. Es herrscht politische Stabilität, ein niedriges Lohnniveau, und es gibt viele junge, sehr motivierte Arbeitskräfte. Die Bevölkerung von mehr als 90 Millionen Einwohnern bietet einen guten Absatzmarkt, und auch der Marktzugang zu den weiteren ASEAN-Ländern ist durch die geographische Lage und die Freihandelszone gegeben.“ 

Welche Branchen haben mittelfristig besonders gute Chancen auf dem vietnamesischen Markt?

„Nach unserer Schätzung haben Produkte der Medizintechnik und  Pharmazie sowie Lebensmittel, Konsumgüter- und Haushaltsprodukte gute Chancen auf dem vietnamesischen Markt. Zudem haben gute und preiswerte Maschinen und Anlagen für bestimmte Industrien erhebliches Geschäftspotenzial.“

In den letzten drei bis vier Jahren war die Arbeit mit Firmen der Medizintechnikbranche ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit in Thüringen. Wie sieht Ihre Arbeit in diesem Zusammenhang konkret aus?

„Wir konnten in den letzten Jahren weitreichende Erfahrungen und ein sehr gutes Netzwerk in der Branche aufbauen und somit auch viele Thüringer Unternehmen unterstützen.  Die Firmen nutzten unseren Service u.a., um ein Vertriebsnetz für ihre Produkte aufzubauen oder geeignete Händler zu finden. Zudem unterstützen wir bei der Beantragung und Genehmigung von Import- sowie Vertriebslizenzen und Ausschreibungsverfahren von vietnamesischen Krankenhäusern und Gesundheitsämtern und führen fachliche Präsentationen durch. So begleite ich auch regelmäßig Delegationen von vietnamesischen Ärzten nach Thüringen, die sich dann direkt vor Ort bei den Thüringer Firmen über Produkte und technisches Knowhow informieren können. Ein wichtiger Baustein ist zudem die Messe MediPharm, die 2015 erfolgreich zum zweiten Mal mit einer guten Beteiligung von Thüringer Firmen durchgeführt werden konnte.“

Sie unterstützen Thüringer Unternehmen bereits seit 2007. Gibt es etwas, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

„Ich freue mich, dass wir in den nun fast zehn Jahren der Zusammenarbeit mehr als 150 Unternehmen bei der Marktbearbeitung in Vietnam unterstützen konnten. Hierbei konnten wir vor allem bei der Vertriebspartnersuche, beim Sourcing und mit interkultureller Beratung helfen. Besonders interessant fand ich immer die Firmenbesuche in Thüringen, bei denen ich auch die Produkte und Prozesse näher kennen lernen konnte. Außerdem sind mir die guten Erfolge durch die Ausstellungen auf Messen und die interessanten Gespräche während  der verschiedenen Unternehmensreisen in Erinnerung geblieben. Auch das erste Treffen der Auslandbeauftragten der LEG im Rahmen einer Veranstaltung auf der Hannover Messe in 2015 war besonders interessant.“

Was müssen Thüringer Unternehmen unbedingt beachten, wenn sie sich in Vietnam engagieren möchten?

„Das ‚A und O‘ ist natürlich ein gutes Produkt an sich. Ein erfolgloses Produkt in Deutschland wird auch keinen Erfolg in Vietnam haben. Wer dann ein gutes Geschäft in Vietnam aufbauen möchte, sollte hohe Motivation und vor allem auch Zeit mitbringen. Vor Geschäftsbeginn sollte man erst einmal ausreichende Informationen über Land, Kultur und Branche einholen. Das Know-how der vietnamesischen Kunden und Geschäftspartner ist nicht zu unterschätzen. Als Manager in Vietnam sollte man sich insbesondere auch persönlich mit dem Geschäft identifizieren und nicht nur Fachkompetenz, sondern auch Management- und Kommunikationsfähigkeiten aufweisen. Wichtig ist außerdem einen kompetenten Handelsvertreter oder Vertriebspartner mit englischen oder deutschen Sprachkenntnissen zu finden. Und letztendlich muss auch die Finanzkraft stimmen.“