Global Markets Extra-Ausgabe

Fragen an GUS-Projektleiterin Irina Heß zu den Beziehungen nach Tatarstan

Zuständig für das Russland Ressort bei Thüringen International ist Projektleiterin Irina Hess. Sie unterstützt seit Jahren Thüringer Unternehmen in ihrem Exportgeschäft mit Russland.

Irina Heß, Projektleiterin GUS; Bildquelle: © LEG Thüringen

Frau Hess, Sie begleiten die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Thüringen und Tatarstan nicht erst seit der Unterzeichnung eines Protokolls zur Zusammenarbeit beider Regionen durch den Präsidenten der Republik Tatarstan, Rustam Minnichanow, und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow im Juni 2016. Warum hat Thüringen gerade Tatarstan als Partnerregion für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit auserwählt; welche strategische Ziele werden hiermit  verfolgt?

Nun, wir haben nicht willkürlich mit verbundenen Augen auf einen Globus getippt… Für ein kleines Bundesland ist es ratsam, sich in der Wirtschaftskooperation mit einem riesigen Land wie Russland auf eine Region zu fokussieren. So können Kräfte gebündelt und der Aufbau von langfristigen Kooperationen begleitet werden.

Tatarstan ist eine wirtschaftlich sehr interessante Republik mit langer Tradition in industrieller Produktion und bietet ein hohes Potenzial für Thüringer Unternehmen. Die Initialzündung und bis heute auch der Hauptanker für die Verbindung zwischen Thüringen und Tatarstan ist das 2014 gegründete „German-Russian Institute for Advanced Technologies (GRIAT)“ in Kasan. Aus der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft entstehen hier vielversprechende Projekte, von denen die Unternehmen beider Seiten profitieren können.

Wie hat sich diese Partnerschaft seit 2016 entwickelt? Welche Meilensteine hat diese Entwicklung bereits genommen?

2016 gab es in der Entwicklung der Beziehungen zwischen Thüringen und Tatarstan zwei Höhepunkte: Im April die Delegationsreise von Ministerpräsident Ramelow und Wirtschaftsminister Tiefensee nach Tatarstan und im Juni den Gegenbesuch von Präsident Minnikhanov in Thüringen. Im Rahmen des Gegenbesuchs wurde ein gemeinsames Protokoll unterzeichnet, zu dem eine sogenannte Road map mit wichtigen Vorhaben zur Entwicklung der Partnerschaft gehört. Im selben Jahr wurde ein Thüringer Firmennetzwerk für Tatarstan gegründet und dessen Büro in Kasan eröffnet. Ebenso wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe Thüringen – Tatarstan ins Leben gerufen, die sich im März 2017 zum ersten Mal und nun vor knapp zwei Monaten zum zweiten Mal traf. Während dieser Sitzungen werden die aktuellen gemeinsamen Projekte besprochen und ausgewertet und neue Projekte bzw. Kooperationsziele definiert. Die Intention dabei ist, auf politischer Ebene gute Bedingungen für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Institutionen beider Regionen zu schaffen und diese Bestrebungen zu befeuern.

Welche konkreten Angebote bietet Thüringen International Unternehmen an, um an dieser Partnerschaft zu partizipieren?

Wie erwähnt, gründeten wir 2016 ein Firmennetzwerk für Thüringer Unternehmen der Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Werkzeugbau und Metallbearbeitung mit dem Ziel einer besseren Marktdurchdringung in Tatarstan. Dieses Netzwerk hat sein Büro in Kasan an der Technischen Universität, ist also lokal sehr gut vernetzt. Ziel ist es, konkrete technische Anfragen von tatarischen Unternehmen zu akquirieren und in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsunternehmen auf Thüringer Seite Projekte zu entwickeln.

Weiterhin hat unsere Länderexpertin für Russland, Guzel Shaykhullina, ebenfalls einen sehr guten Draht nach Tatarstan, in ihre Heimat. Sie berät und unterstützt Thüringer Unternehmen beim Markteinstieg in ganz Russland, aber eben auch speziell in Tatarstan.

Außerdem bietet Thüringen International im September eine Unternehmensreise nach Tatarstan an und wird bereits zum vierten Mal mit einem Firmengemeinschaftsstand an der Maschinenbaumesse im Dezember in Kasan teilnehmen.

Die Thüringer Wirtschaftsbeziehungen mit Russland waren unmittelbar nach Inkrafttreten der Sanktionen stark rückläufig, konnten aber ihren Tiefpunkt im Jahr 2016 anscheinend überschreiten. Trotz unverändert andauernder Sanktionen stiegen Im letzten Jahr die Thüringer Exporte nach Russland um bemerkenswerte 30 % an und die aktuellen Zahlen für das erste Quartal 2018 belegen eine Fortführung dieses Trends. Wie erklären Sie diese Entwicklung?

Hauptgrund für den Anstieg der Exporte ist natürlich die wirtschaftliche Erholung Russlands, die vorwiegend in dem angestiegenen Weltmarktpreis für Öl begründet ist. Dies erleichtert russischen Unternehmen wieder den Einkauf im Ausland. Trotz Importsubstitution ist der Bedarf Russlands an Maschinen und Anlagen sowie Hochtechnologien und chemischen Technologien weiterhin sehr hoch. Hier nutzen die deutschen Unternehmen natürlich gern ihre Chancen.

An die Sanktionen einerseits wie auch an die geänderten Importregelungen von Seiten der russischen Regierung andererseits haben sich deutsche Unternehmen mittlerweile gewöhnt und entsprechend angepasst. Russland bleibt ein interessanter und vor allem naher Markt für Thüringer Unternehmen.