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Armenien Insights: Interview mit Praktikantin Nora Hayrapetyan

Unsere armenische Praktikantin spricht im folgenden Interview über Unterschiede in der armenisch-deutschen Geschäftskultur und über Marktmöglichkeiten in ihrem Land.

Nora Hayrapetyan studiert an der Universität Erfurt Globale Kommunikation, Politik und Gesellschaft und absolviert derzeit ein 3-monatiges Praktikum im Team Thüringen International. Wir möchten diese Chance nutzen und Ihnen mit dieser Expertise im Rahmen des folgenden Interviews den Markt Armenien etwas näher zu bringen.

Hallo Nora, zunächst herzlich willkommen im Team Thüringen International. Welche wirtschaftlichen Kooperationsmöglichkeiten siehst du zwischen Thüringen und Armenien?

Derzeit beschränken sich die wirtschaftlichen Kontakte überwiegend auf einzelne Handelsbeziehungen: In der LEG-Unternehmensdatenbank finden sich lediglich wenige Thüringer Unternehmen, die Waren nach Armenien exportieren oder von dort importieren. Diese Ausgangslage schließt jedoch weiterführende Kooperationsformen nicht aus, ganz im Gegenteil. Ich bin überzeugt, dass bestehende, bislang eher punktuelle Wirtschaftsbeziehungen zwischen Thüringen und Armenien strategisch weiterentwickelt werden können. Aus meiner Perspektive ergeben sich insbesondere dort Chancen, wo Thüringens technologische Stärken mit den Entwicklungsbedarfen Armeniens zusammengeführt werden können: Thüringen verfügt über ausgewiesene Kompetenzen in den Bereichen Optik und Photonik, Mikroelektronik, Sensorik, Künstliche Intelligenz, Maschinenbau, duale Ausbildung sowie Technologievernetzung – alles Bereiche, die in Armenien auf ein wachsendes Interesse und strukturellen Bedarf treffen.

Aus diesen Überlegungen lassen sich aus meiner Sicht mehrere konkrete Kooperationsperspektiven ableiten: Dazu zählen insbesondere Ausbildungs- und Fachkräftekooperationen, etwa in Form dualer Bildungsprogramme, strukturierte Austauschformate oder sogenannter Train-the-Trainer-Ansätze. Darüber hinaus bieten sich Innovations- und Start-up-Kooperationen zwischen armenischen Technoparks und Thüringer Innovationszentren an, um technologische Entwicklungen gemeinsam voranzutreiben. Ich kann mir auch gut Formate vorstellen, in denen armenische und Thüringer Unternehmen aus den genannten Bereichen direkt aufeinandertreffen und Kooperationen sondieren. Dies wäre ein erster wichtiger Schritt für zukünftige gemeinsame Projekte und langfristige Kooperationen. Ergänzend dazu besteht Kooperationspotenzial, bei den Armenien als Entwicklungs- und Technologiestandort für Thüringer Unternehmen fungieren könnte. Ein Beispiel wäre die Zusammenarbeit im IT- und Softwarebereich: Thüringer Unternehmen könnten gemeinsam mit armenischen Start-ups innovative Softwarelösungen entwickeln oder Outsourcing-Partnerschaften für Programmier- und Entwicklungsprojekte eingehen.

Insgesamt betrachtet ist meine Perspektive bewusst optimistisch: Nicht trotz, sondern gerade wegen der überschaubaren Marktgröße Armeniens sehe ich erhebliches Potenzial für spezialisierte, wissensbasierte und langfristig angelegte Wirtschaftsbeziehungen.

Wie sehen deine Pläne nach dem Studium aus?

Eine Frage, die wohl alle internationalen Studierenden mehrfach gestellt bekommen. Und jedes Mal bringt mich diese Frage in ein inneres Dilemma: Soll ich meine berufliche Zukunft in meinem Heimatland aufbauen oder meinen Weg in Deutschland weitergehen? 
Doch vor Kurzem, nachdem ich begonnen hatte, in Deutschland zu arbeiten, wurde mir bewusst, dass diese Frage für mich vielleicht gar nicht die richtige ist. Es geht dabei nicht nur um ein Land – auch wenn ich mir lange vorstellen konnte, in meine Heimat zurückzukehren, sondern vielmehr um das Arbeitsumfeld und die Geschäftskultur, in der ich mich beruflich entfalten möchte.

Natürlich ist eine Karriere in einer fremden Kultur und in einer anderen Sprache neu aufzubauen keineswegs einfach, insbesondere wenn sich die Arbeitskultur in zentralen Punkten deutlich unterscheidet. Dennoch sind solche Herausforderungen mit Zeit, Lernbereitschaft und langfristiger Perspektive überwindbar und können eine nachhaltige berufliche Entwicklung ermöglichen.

Deshalb würde ich meine Frage anders formulieren: Geht es für mich darum, in meine Heimat zurückzukehren und dort von vorne zu beginnen? – Oder geht es vielmehr darum, meine Potenziale hier in Deutschland weiterzuentwickeln und von professionellen Strukturen sowie erfahrenen Fachkräften zu lernen? Dabei ist mir bewusst, dass Professionalität keineswegs auf bestimmte Länder beschränkt ist: Auch in Armenien könnte ich von meiner deutschen Ausbildung profitieren. Dennoch sind die verfügbaren Ressourcen in meinem Heimatland deutlich begrenzter, sodass nur wenige Arbeitsmöglichkeiten existieren, die meiner Ausbildung und meinem langfristigen beruflichen Profil entsprechen.

Das Praktikum bei der LEG hat mir nicht nur neue berufliche Perspektiven in Deutschland eröffnet, sondern auch eine interessante und zukunftsorientierte Sicht auf die Entwicklungsmöglichkeiten in meiner Heimat vermittelt. Ich bin überzeugt, dass nachhaltige Veränderungen in Arbeits- und Denkweisen dort beginnen, wo wertschätzende Beziehungen gepflegt werden und professionelle, partnerschaftliche Geschäftsbeziehungen mit Ländern wie Deutschland aufgebaut werden.

Letztlich stellt sich meine anfängliche Frage, ob ich in Deutschland bleiben möchte oder nicht, für mich heute nicht mehr als ein Entweder-oder dar. Mein beruflicher Weg in Deutschland bedeutet keinen Abstand zu meiner Heimat, sondern eröffnet mir die Möglichkeit, Kompetenzen zu entwickeln, die ich langfristig auch in Armenien einbringen kann. Dies ist das Wesentliche, was ich aus meinem Praktikum gelernt habe.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft

Nora Hayrapetyan

Bild: LEG Thüringen