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Kurz, prägnant und praxisnah – Rückblick auf „Café International“ zu Mercosur

Am 3. Dezember führten wir die Online-Veranstaltung „Café International: Kamingespräch zum EU-Mercosur-Freihandelsabkommen“ durch.

Das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen gilt seit Jahren als Hoffnungsträger für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Nach rund 30 Jahre intensiver Diskussionen wurde das Abkommen 2024 unterzeichnet, ist jedoch bis heute nicht ratifiziert. Einige Mitgliedstaaten haben weiterhin Bedenken und blockieren die endgültige Entscheidung. Dennoch sehen Experten enorme Chancen in der Umsetzung: Die Integration von Wertschöpfungsketten, der Schutz europäischer Ursprungsbezeichnungen sowie stabile Regeln in einer geopolitisch unsicheren Welt zählen zu den zentralen Vorteilen.

In dieser kompakten, einstündigen Veranstaltung haben unser Auslandsbeauftragter in Brasilien, Dietmar Sukop, sowie Carl Moses, Berater für Wirtschaft, Politik und Geschäft in Lateinamerika, über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Marktchancen in Brasilien und Argentinien für deutsche Unternehmen diskutiert: Dabei wurden interessante Einblicke in die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Marktchancen beider Länder gegeben sowie alle relevanten Informationen zum Abkommen und dessen Auswirkungen auf deutsche Unternehmer dargestellt.

Key Takeaways (das vollständige Interview befindet sich im Anschluss):

  • Brasilien bleibt die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas und zählt zu den Top 10 weltweit. Trotz globaler Unsicherheiten wächst das BIP, die Inflation liegt bei 4,3% und die Arbeitslosigkeit ist mit 5,5% niedrig. Für deutsche Unternehmen eröffnen sich derzeit spannende Chancen in Schlüsselbranchen. Besonders attraktiv sind Investitionen in das Agrobusiness und die Lebensmittelverarbeitung, die als treibende Wachstumsfaktoren gelten. Ebenso gewinnen erneuerbare Energien und Projekte rund um grünen Wasserstoff zunehmend an Bedeutung. Ein weiterer strategischer Bereich ist die Gewinnung und Verarbeitung seltener Erden sowie von Lithium, die für High-Tech-Anwendungen und die Elektromobilität unverzichtbar sind. Außerdem bieten die Industrieautomation und der Maschinenbau großes Potential.
     
  • Unter Präsident Javier Milei erlebt Argentinien tiefgreifende Reformen. Die Inflation ist von mehreren 100% auf unter 30% gefallen, ein historischer Erfolg, der Planungssicherheit schafft. Hier eröffnen sich auch vielfältige Chancen, vor allem in der Rohstoffversorgung, die eine stabile Basis für industrielle Wertschöpfung bietet. Auch Großprojekte in den Bereichen Energie und Infrastruktur sind besonders interessant. Das stetige Wachstum der Nachfrage nach hochwertigen Produkten generiert interessante Exportchancen für Thüringer Unternehmen. Großer Vorteil des argentinischen Marktes aktuell sind der günstige Wechselkurs und die hohe Kaufkraft in US-Dollar. Für deutsche Unternehmen tut sich ein Markt auf, der für viele lange völlig verschlossen war aufgrund der Importrestriktionen, und jetzt stehen Tür und Tor offen.

Folgend wird das gesamte Interview, welches im Rahmen der Online-Veranstaltung „Café International: EU-Mercosur-Freihandelsabkommen“ am 3. Dezember geführt wurde, veröffentlicht.

Carine Cornez-Fliege:

Wir möchten mit diesem Gespräch eine Vorstellung von der aktuellen Lage in Argentinien und Brasilien bekommen und die Frage beantworten, wie es mit dem Mercosur-EU-Freihandelsabkommen weiter geht und was geschieht, wenn es nicht kommen sollte.

Zu Beginn wäre es gut, wenn wir einen Überblick bekommen könnten. Dietmar und Carl, gebt uns bitte ein kleines Update über die aktuelle Wirtschaftslage in Brasilien und Argentinien.

Dietmar Sukop: 

(…) wir gehen eigentlich auch in diesem Jahr noch von einem leichten Anstieg des Bruttoinlandsproduktes aus. Das wurde leider im Laufe des Jahres ein bisschen nach unten korrigiert, auch im Zuge der Zolltarife aus den USA. Wie Sie vielleicht wissen, hat die Regierung Trump Strafzölle in Höhe von 50% auf alle Exporte, oder auf fast alle Exporte aus Brasilien erhoben. Auch Brasilien ist zurzeit mit der Regierung Trump, also Präsident Lula ist mit Trump in Verbindung und es gibt eine Ausnahmeliste. 

(…) Die USA haben schon etwas nachgegeben, auch bei vielen landwirtschaftlichen Produkten oder auch Lebensmitteln, Kaffee, Orangensaft zum Beispiel. Aber es gibt zumindest die Aussicht, dass diese 50% Importsteuern von brasilianischen Produkten wieder etwas runter geregelt werden. Was die Inflation betrifft, sind wir immer noch etwas außerhalb der Marge, die sich die Regierung gesetzt hat, zurzeit bei ca. 4,3%. Jetzt haben wir am Jahresende immer noch sehr hohe Finanzierungskosten durch einen sehr hohen Leitzinssatz. Also ist es für neue Investoren schwierig, in Brasilien zu investieren. 

Auf der Seite der Arbeitslosenzahlen liegen wir zurzeit bei etwa 5,5% im Schnitt in ganz Brasilien. Wobei einige Bundesländer sogar schon fast Vollbeschäftigung haben. Zum Beispiel Santa Catarina, das mit 3% praktisch schon Vollbeschäftigung aufweist. Also der Bevölkerung geht es eigentlich ganz gut. Und wie schon gesagt, das Bruttoinlandsprodukt geht leicht hoch, was auch in die Taschen der Konsumenten kommt. Also die verfügbare Geldmenge im Jahr, also Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, da liegen wir auch bei ca. 10.600 US-Dollar, was eigentlich auch im Schnitt der letzten Jahre relativ gut liegt.

Carl Moses:

Es ist nie so spannend gewesen in Argentinien, wie jetzt seit den zwei Jahren, wo Javier Milei die Wahl gewonnen hat. Und seitdem ist alles in Bewegung. Milei hat, wie ja viel berichtet wird, radikale Anpassungsmaßnahmen in den Finanzen gemacht. Er ist gleichzeitig ein Pragmatiker, der zum Beispiel an der Steuerung des Wechselkurses bisher festhält, entgegen seiner libertären Ideologie. Also, er geht mit seinem Team, das er sich aus anderen Politikparteien und Instituten zusammengestellt hat, sehr pragmatisch vor.

(…) Die Inflation, das ist der mit Abstand größte und sichtbarste Erfolg von Milei bisher, ist halt von mehreren hundert Prozent inzwischen auf unter 30 Prozent im Jahr gesunken. Zwei Prozent im Monat, das ist immer noch sehr viel, aber für Argentinien wirklich eine echte Verbesserung, weil die Menschen einfach planen können. Es ist einfach etwas mehr Stabilität. Und da setzt nach wie vor Milei auch alles dran, die Inflation unter Kontrolle zu halten. Man weiß aber gleichzeitig, dass ein dauerhafter Rückgang der Inflation ein Prozess von Jahren ist. Betrachten wir Länder wie Peru, Uruguay – überall in der Region gab es ja früher Hyperinflation und Hochinflation. Das hat viele Jahre gedauert, auch in Brasilien, bis man wirklich auf dieser Stabilität ankam. Und das kann man auch in Argentinien nicht herbeizaubern. 

Es hat sich aber noch etwas geändert: Wie gesagt, bei der letzten Wahl jetzt im Oktober ist seine Partei unerwartet stark bestätigt worden. 

Und wichtiger noch, meiner Meinung nach, was wir in den letzten Monaten erlebt haben, ist der absolute Rückhalt der Vereinigten Staaten, also der Regierung von Donald Trump und seinem Finanzminister Scott Bessend. Die Trump-Administration ist immerhin noch ein paar Jahre im Amt, was immer nötig ist, um Javier Milei und seinen Reformkurs zu stützen.

Carine Cornez-Fliege:

Mehr Stabilität, das ist doch auch für die einzelnen Unternehmerinnen und Unternehmer wichtig, die auch selbst endlich mal wieder ein bisschen längerfristig planen können?

Carl Moses: 

Milei hat ja viele Importhemmnisse, vor allem auch nichttarifäre Hemmnisse und Zugang zu Devisen für Importe sehr weitgehend liberalisiert. Das heißt, die Unternehmen haben wieder Zugriff auf Devisen, um importieren zu können, und die Importe sind in diesem und im vergangenen Jahr massiv gestiegen. Im Moment in diesem Jahr ist die Konjunktur flach, sage ich mal. Also da ist seit Februar im Grunde eine Stagnation. Trotzdem wird das Land im Durchschnitt ein Wachstum von so um die 4% ausweisen für 2025. Das ist aber der Überhang aus der Erholung im zweiten Halbjahr 2024. Das heißt, im nächsten Jahr werden wir wahrscheinlich ein Durchschnittswachstum haben, was unter vier Prozent liegt. Aber man wird trotzdem das Gefühl haben, dass die Konjunktur anspringt, weil von Monat zu Monat die Lage sich wieder bessert. Und die Importe sind offen, Tür und Tor. Und die Kaufkraft der Argentinier in Dollar ist hoch, weil die Regierung eben den Dollarkurs nach wie vor stabil und als wichtigen Anker für die Inflation hält. Argentinien ist zu teuer, definitiv. Die Regierung weigert sich aber in der Wechselkurspolitik irgendwelche Änderungen vorzunehmen und setzt alles darauf, dass das Land effizienter und produktiver wird. Aber das wissen wir alle, das dauert lange. Das geht nicht innerhalb von ein paar Monaten. Es ist ja so eine sehr dynamische, sehr spannende Entwicklung. Bisher hat Milei den Rückhalt der Mehrheit in Argentinien und er hat, wie gesagt, vor allem diesen wahnsinnigen Rückhalt der USA. Damit traue ich ihm zu, dass er die Lage in seiner zweiten Regierungshälfte stabil halten kann. Aber was da im Einzelnen noch kommt, das wird weiterhin extrem spannend bleiben in Argentinien. Aber nach den letzten zwei, drei Monaten bin ich deutlich optimistischer, was auch die mittlere und lange Frist angeht. Für deutsche Unternehmen ist das eine super Nachricht, weil da tut sich ein Markt auf, der für viele, lange völlig aufgrund der Importrestriktionen verschlossen war und jetzt stehen Tür und Tor offen. Und es wird auch sehr interessant für Direktinvestitionen.

Carine Cornez-Fliege: 

Wir haben Ende 2024, als das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen endlich unterschrieben wurde, große Hoffnungen gehabt. Es hieß, dass es kommt, und wir können uns freuen. Jetzt ist ein Jahr vergangen und es ist nicht ratifiziert.  

Wie ist die Lage? Wie seht ihr das? Wir hören, dass Lula zu Weihnachten uns bescheren möchte und das unterschrieben wird. Wie ist eure Einschätzung?

Dietmar Sukop: 

Ja, wie du es gerade gesagt hast, Lula möchte am 20. Dezember das Abkommen unterschreiben. Ob es wirklich dazu kommt, kann ich dir nicht sagen. Ich denke mal, da liegen die ganzen Jahre hinter einem, wo man ein bisschen pessimistisch geworden ist, was den reellen Abschluss auch betrifft. Hier muss man auch unterscheiden zwischen zwei verschiedenen Abschlüssen. 

Es gibt ja das Handelsabkommen allein und das komplette EU-Mercosur-Abkommen, welches dann auch von den einzelnen EU-Ländern ratifiziert werden muss. Das erste Handelsabkommen ist natürlich ein bisschen einfacher. Da bedarf es nur der Unterschrift des EU-Parlaments. Wenn wir dieses Handelsabkommen auch erstmal unterschreiben können, heißt das natürlich nicht, dass von heute auf morgen die Zölle auf null gesetzt werden, sondern das ist natürlich dann auch mal eine langfristige Entwicklung, die da vor uns steht, bis zu 15 Jahre teilweise, wo die Zölle dann auch herabgesetzt werden. 

Die Landwirte befürchten auch, dass eventuell auch billige Agrarprodukte nach Europa kommen. Ich persönlich sehe da keine Probleme. Jedes Unternehmen zum Beispiel, das aus Brasilien Fleisch exportiert, muss zertifiziert sein, muss nachhaltig sein. Für mich besteht keine Gefahr, dass irgendwie Billigfleisch, Gammelfleisch nach Europa kommt. Aber auf der anderen Seite haben die Landwirte natürlich doch in Europa eine berechtigte Angst, einer sehr großen Konkurrenz ausgesetzt zu sein. 

Auf der anderen Seite natürlich auch, die brasilianische Industrie hatte auch gewisse Bedenken: jetzt kommen technologisch hochwertige Equipments, Maschinen aus Deutschland. Und wir in unseren Unternehmen müssen uns wirklich umschauen, dass wir mit dieser enormen Konkurrenz auch wirklich fertig werden können. Es wird sicherlich, wie in jedem Prozess, in jedem Abkommen oder in jedem wirtschaftlichen, politischen Prozess auch Verlierer geben und einige Unternehmen auf der Strecke bleiben. Es werden sicherlich einige landwirtschaftliche Unternehmen auch in Europa auf der Strecke bleiben. Aber ich denke mal, dass das Wichtige dabei ist, dass die Wirtschaft makro-gesehen davon profitiert und auch die Bevölkerung, die allgemeine Bevölkerung in beiden Regionen auch davon profitieren wird.

Carl Moses:

Also ich berichte seit 30 Jahren über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Mercosur und mit großem Engagement auch. Ich bin geradezu zeitweise aktivistisch unterwegs gewesen für das Abkommen. Ich gucke seit schon einigen Jahren nur noch ungern auf die Entwicklung, weil ich mich einfach ärgere, dass wir erstens mal natürlich es nicht auf die Kette kriegen und es liegt an der EU. Es liegt schon seit geraumer Zeit an der EU und nicht an den Südamerikanern, dass es nicht in Kraft tritt. Und es wird übrigens im Moment gerade mit den USA verhandelt. Und wahrscheinlich werden die jetzt schon Ende dieser Woche entscheiden, dass sie ihren Markt ähnlich öffnen. Dem gegenüber steht eine brachliegende Supermarktlandschaft, zumindest in Argentinien, wo verarbeitete Produkte fürchterlich teuer sind. Wo selbst deutsche Marmelade, wenn sie dreimal so viel kostet wie in Deutschland, immer noch in argentinischen Supermarktregalen wettbewerbsfähig ist. Dass der Mercosur 300 Ursprungsbezeichnungen wie Champagner und Schwarzwälder Schinken und bestimmte Käsesorten schützt. Die EU hat ein Wahnsinnspotenzial bei verarbeiteten Nahrungsmittel-Produkten und es ist irre, dass wir immer nur über Glyphosat und über ein paar Tonnen mehr oder weniger Fleisch oder Ethanol sprechen und nicht über diese Chancen. Mal ganz abgesehen davon, ich glaube, warum wir auch das Abkommen brauchen, aktuell in dieser geopolitischen Veränderung brechen die internationalen Regeln vor unseren Augen zusammen. Und mit dem EU-Mercosur-Abkommen können wir wenigstens innerhalb dieses Raumes, der ja die größte Wirtschaftszone der Welt sein würde, stabile Regeln halten, so wie wir sie gewöhnt sind und wir würden sie sogar besser haben als vorher. Es ist für mich einfach nicht mehr nachvollziehbar, dass wir das immer noch nicht in Kraft gesetzt haben. (…) 

Ich fürchte, dass wir schon zu spät dran sind, egal, ob das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen am 20. wirklich unterschrieben wird oder nicht. China hat uns längst überholt. Die USA marschieren gerade, wie ich eben gesagt habe, massiv vor in Argentinien. Und das ist nur der Brückenkopf für die ganze Region. Lula und Trump scheinen sich auf der menschlichen Ebene auch gut zu verstehen. Das gleitet uns alles weg. Also wir stagnieren und fallen relativ zurück, wenn wir Europäer uns nicht bewegen.

Dietmar Sukop:

Und ich denke eigentlich auch, dass die Chancen halt für europäische Unternehmen viel, viel größer sind als für südamerikanische Unternehmen. Also die Zölle zum Beispiel, die es jetzt aktuell gibt in der EU, sind dermaßen weniger, als hier in Mercosur verlangt wird. Und da ist natürlich auch, was an Zollermäßigung eingeführt werden soll, viel, viel größer auf der Mercosur-Seite. Also es wird viel, viel einfacher, in den Mercosur zu exportieren. Und auf der anderen Seite, die Zölle, die vielleicht wegfallen in der EU, sind viel, viel geringer. Also da liegt der Vorteil ganz klar auf der europäischen Seite. 

Carine Cornez-Fliege:

Mal angenommen, dass das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen nicht unterschrieben wird. Was haben wir noch für Chancen?

Carl Moses:

In Argentinien ist die Agrarindustrie immer schon das Rückgrat der Wirtschaft gewesen, die die ganzen Devisen erwirtschaftete, und die der Rest des Landes braucht, um überhaupt die Wirtschaft am Laufen halten zu können. Neben diesem nach wie vor extrem dynamischen Sektor gibt es die Frage der Währung: Wo gibt es für Deutschland noch bessere Lieferchancen als früher, weil eben die nicht tarifären Handelshemmnisse reduziert und abgebaut wurden, weil der Peso stark ist. Manchmal ist es viel wichtiger zu schauen, wie sich die Währung bewegt. Wenn Argentinien eben eine total überteuerte Währung hat, dann können sie sich alles kaufen. Der Zoll spielt dann gar nicht mehr so eine große Rolle. 

Weitere Chancen bestehen in der Rohstoffversorgung, wo Argentinien dabei ist, zu einem wirklich bedeutenden Player zu werden für Lithium, aber auch für Kupfer, wo deutsche Unternehmen sich die Rohstoffversorgung sichern könnten und sollten, bevor das an China oder auch an Nordamerika verloren geht. (…) Argentinien ist dabei, seine Schiefergasreserven jetzt wirklich mit aller Macht zu erschließen. Das sind riesige Projekte, für die es aber auch ein Förderregime gibt, das unter Milei auch gesetzlich verabschiedet wurde, das also große Vorteile und langfristige Garantien gewährt für große Projekte im Energie-, Infrastrukturbereich oder eben im Bergbau.

Das heißt, wenn so ein Bergbauprojekt für mehrere Milliarden Dollar entwickelt wird, dann kommt davon für hunderte Millionen die Technologie zum großen Teil aus Deutschland. Also auf der Ebene ergeben sich jetzt ganz konkret sehr große Geschäftschancen. 

Ich habe eben schon die schreckliche Unterversorgung in der Breite des Sortiments im argentinischen Einzelhandel erwähnt - die Importe sind offen. Also es wurden auch die Prüfungsverfahren vereinfacht. Wenn eine Batterie in Europa zugelassen ist, dann muss man sie nicht in Argentinien jetzt nochmal testen lassen, bevor man sie einführt. Also, da stehen Tür und Tor offen, das kann ich alles aufzählen, denn es gilt für alle Wirtschaftsbereiche, wo Argentinien dankbarer Abnehmer ist. Man sollte es nutzen, solange diese Wechselkurs-Relation so günstig ist! Im Moment ist das Fenster offen.

Dietmar Sukop:

Ich bin immer noch optimistisch, dass zumindest bis zur Hannover Messe, wo Brasilien Partnerland ist, das Abkommen hinter uns ist. Aber, falls nicht, genau wie in Argentinien ist der Wirtschaftsmotor die Agroindustrie, also nicht nur die eigentliche Landwirtschaft, sondern auch Agrobusiness im Allgemeinen: Agrotechnik, Lebensmittelverarbeitung und ähnliches. Das ist der Motor der brasilianischen Wirtschaft.

Auch schon von Carl angesprochen wurde das Thema Lithium, seltene Erden an sich, daran ist natürlich auch die Trump-Administration interessiert. Sie nähert sich auch Brasilien, um die Importe nicht so hoch zu setzen, und darauf zu hoffen, dass Brasilien einer der Lieferanten von seltenen Erden an die USA sein wird und diese nicht nur nach China gehen. China ist übrigens der wichtigste Handelspartner von Brasilien, und wenn jetzt China auch in diesem Bereich reingeht, dann sieht es auch für die Europäischen Union schlecht aus. 

Wie Carl es schon gesagt hat, es gibt so viele Zulieferer. Grüner Wasserstoff ist ein anderes Thema, wo es ein bisschen stockt. Die deutschen Unternehmen, die deutsche Politik könnten auch hier etwas machen, um ein bisschen weiter vorne eine große Rolle zu spielen.

Carl Moses:

Mit dem EU-Mercosur-Freihandelsabkommen hätten wir zumindest ein Regelwerk, von dem insbesondere kleine und mittlere Unternehmen profitieren, die keine eigene Niederlassung vor Ort haben. Konzerne und große Unternehmen regeln das intern, aber den Mittelständlern würde es unwahrscheinlich helfen. Ich sage es immer, wir brauchen das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen nicht unbedingt, aber es würde uns helfen, und es würde und voranbringen und es würde verhindern, dass wir im Wettbewerb mit China, vor allem aber auch mit anderen Ländern aus Asien und weiteren Regionen, ins Hintertreffen geraten. 

Wir haben eine Super-Stellung, Deutschland ist nach wie vor das Land mit den meisten Direktinvestitionen in Mercosur. Aber es werden jetzt Impulse gebraucht und ich denke, das, was Donald Trump macht, zeigt uns auf der einen Seite, dass mit harten Bandagen gekämpft wird, aber auf der anderen Seite, dass in Argentinien diese große Unterstützung der USA jetzt kommt, wie sie das vor einem Jahr angekündigt hatten. Die Amerikaner garantieren die Stabilität von diesem Verbündeten, und davon profitieren auch wir, weil die Bedingungen auch besser und stabiler geworden sind.

Carine Cornez-Fliege:

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Argentinien und Brasilien verändern sich gerade rasant – und mit oder ohne EU-Mercosur-Abkommen ergeben sich neue Möglichkeiten, die man kennen sollte. Dafür stehen wir zur Verfügung und stellen gern den Kontakt zu entsprechenden Marktkennern wie Dietmar Sukop und Carl Moses her. 

Flaggen der Mercosur-Mitglieder auf einer blauen digitalen Weltkarte

Bild: michal812 / istockphoto.com